Der grüne, wilde Mann

Der grüne Mann hat als architektonisches Zierelement überlebt: ein Männerkopf, der aus Blättern erwächst. Er stützt auch Fenstersimse, schmückt Sockel und Säulen. In alten Kirchen lugt er verschmitzt aus dem Deko-Blätterwerk. Doch sein Ursprung ist um vieles älter als unsere christliche Kultur und reicht in die Steinzeit zurück.

Wo der grüne Mann existiert, ist der wilde Mann mit seinem Geweih, seinen Stierhörnern und seiner üppigen Behaarung nicht weit. Diese Männer versinnbildlichen den Kontakt zur Natur, zu ihrer eigenen Wildheit, zu Instinkt und Intuition. Sie sind die besten Freunde der Liebenden. Wild und grün meint in ihrem Fall nicht ungehobelt, grob oder unreif, sondern urspünglich, unverfälscht und lebendig, ekstatisch, kraftvoll und spontan. Als Pan, Faun, Dionysos oder auch als Teufel haben der grüne und der wilde Mann bis heute überlebt.

Die instinktive Urgewalt, die der wilde Mann verkörpert, kann Angst machen. Deshalb muss er in vielen Märchen erst einmal vom Grund eines Sees oder aus einem Käfig befreit werden. Meistens kommen die jungen Märchen-Helden bei ihren Abenteuern nicht ohne den Beistand dieses wilden Mannes zu ihrem Glück.

Die Sehnsucht nach dem Wilden bleibt. Im Garten und im Wald ist der wilde Mann nicht weit. Eine Figur oder Skultpur könnte daran erinnern.

Quelle: u.a. Robert Bly "Eisenhans"

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